Page 18 - InsiderKrefeld Ausgabe 03_03
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                 TITELTHEMA
  Joerg Dederichs
„Change Management ist nichts anderes, als von einem Ist-Zustand zu einem gewünsch- ten Sollzustand zu kommen.“ So bringt es Dr. Joerg Dederichs auf den Punkt. Der langjährige Geschäftsführer und Direktor im 3M Konzern ist heute Professor für Stra- tegisches Management in Köln und lehrt gleichzeitig an der Hochschule Niederrhein Innovation and Change Management. Nach seiner Aussage ist Change Management vollkommen unab-
hängig von Unter-
nehmensgrößen
und Branchen. Zu-
dem könnten damit
ganz unterschiedli-
che inhaltliche Ziele
verfolgt werden,
beispielsweise
Strukturanpassun-
gen, Strategieände-
rungen, Unternehmenszu- oder -verkäufe, aber auch Themen wie Digitalisierung oder Nachhaltigkeit.
„Change Management als systematische Vorgehensweise eignet sich immer dann, wenn ich einen Sollzustand erfolgreich umsetzen möchte und dabei Menschen mit- nehmen muss“, so Joerg Dederichs. Es sei eine Methode, kein Selbstzweck. Die Kern- aufgabe liege darin, Veränderungsprozesse bewusst so zu planen und zu organisieren, dass der anvisierte Sollzustand erreicht
werden kann. Dafür gäbe es zahlreiche Werkzeuge, die helfen, Veränderungen umzusetzen. Dabei gehe es einerseits da- rum, die inhaltliche Seite der Veränderung systematisch zu planen. Andererseits sei die menschliche Seite zu berücksichtigen – also Einstellungen, Gewohnheiten, Gefühle oder vielleicht sogar Ängste – und das sei fast wichtiger für erfolgreiche Veränderung.
Joerg Dederichs Kollege Dr. Thomas Lauer, der seit 2002 Unternehmensführung an der TH Aschaffenburg lehrt und das Standard- werk „Change Management – Grundlagen und Erfolgsfaktoren“ veröffentlicht hat, wählt zur Veranschaulichung einen über- raschenden Vergleich: „Wenn Sie sich etwa das Rauchen abgewöhnen wollen, dann würde Change Management dabei helfen, diesen Weg zu beschreiten und persönliche Widerstände, etwa die Sucht, zu über- winden. In Unternehmen kommen solche Widerstände auch vor.“ Natürlich spreche man dann hier nicht über Nikotinsucht, aber allgemein über die Angst, dass man das Neue nicht bewältigen könne (etwa bei Einführung neuer Software), dass sich das persönliche Arbeitsumfeld ändern werde (etwa bei einer Re-Organisation) oder dass Unternehmenskulturen und Denkweisen nicht zusammenpassten (etwa bei M&A).
„Generell ist der Mensch eher ein verände- rungsresistentes Wesen – und das gilt auch für vom Menschen geschaffene kulturelle
Bräuche.“ Laut Tho- mas Lauer liegt das unter anderem da- rin begründet, dass über 99 Prozent aller Generationen der Menschheit in der Steinzeit lebten, einem Zeitalter, in dem es wenig Wan- del im Umfeld gab.
„Heute haben wir es mit einer Unterneh- mensumwelt zu tun, die sich immer rasanter verändert. Das passt nur bedingt zur ge- netischen und kulturellen Ausstattung des Menschen.“ Schon im ganz normalen Alltag können wir erkennen, wie schwer wir uns von Gewohnheiten verabschieden: „Denken Sie einmal daran, wie schwer es vielen zu Beginn der Pandemie fiel, auf das Hände- schütteln zum Gruß zu verzichten oder eine Maske zu tragen.“
Als maßgebliche Erfolgsfaktoren beim Wandel nennt der Wissenschaftler Kom- munikation und Partizipation. „Fehler in diesen Bereichen können zu erheblichen Widerständen gegen den geplanten Wandel führen. Dabei würden diese Fehler oft in „guter Absicht“ begangen. „Man sagt etwa lange Zeit über den geplanten Wandel nichts, weil man Unruhe befürchtet. Die Realität zeigt aber immer wieder, dass doch Informationen durchdringen. Dies führt dann zu Gerüchten, in denen die Auswirkun- gen des Wandels für die Belegschaft in aller Regel viel negativer dargestellt werden, als es der Realität entspricht.“ Lauers Rat an die Verantwortlichen: „Informieren Sie recht- zeitig über den Wandel. Erklären Sie, warum dieser notwendig ist, welche Ziele verfolgt werden und was dies für die Belegschaft bedeutet. So behalten Sie auch selbst die Informationshoheit.“
Widerstände können demnach auch ent- stehen, wenn sich Betroffene als hilflos gegenüber dem Wandel erleben. „Sie fühlen sich gezwungen, Neues zu tun – etwa eine neue Software zu nutzen – und Gewohntes zu unterlassen und Papier und Stift beiseite- zulegen“, erklärt Thomas Lauer. Das Ergebnis könne ein trotziges Nein sein (wissenschaft- lich als „Reaktanz“ bezeichnet), oder aber auch eine gefühlte Überforderung. Gegen Ersteres helfe die Beteiligung der Betroffe- nen am Wandel (Partizipation). „Führungs- kräfte scheuen diese bisweilen, weil sie Angst haben, ihre Gestaltungskompetenz aus den Händen zu geben. Es geht aber
nicht darum, dass die Beschäftigten darüber entscheiden, ob es zum Wandel kommt und mit welchem Ziel. Diese strategischen Ent- scheidungen obliegen dem Management. Vielmehr sollte man betroffene Fachkräfte an der detaillierten Ausgestaltung des Wandels für die von ihnen verantworteten Aufgaben beteiligen.“ Dies verringere seiner Beobachtung nach „erlebte Ohnmacht“
und baue Widerstände ab. „Damit es nicht zur Überforderung kommt, sollten die vom Wandel Betroffenen vorab die benötigten Kompetenzen vermittelt bekommen, etwa durch Training und Schulungen.“
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„Kommunikation und Partizipa- tion sind maßgebliche Erfolgsfak- toren beim Wandel.“
Dr. Thomas Lauer
TH Aschaffenburg
 „Change Management ist nichts anderes, als von einem Ist- Zustand zu einem gewünschten Sollzustand zu kommen.“
Joerg Dederichs
Professor für Strategisches Management
Foto: 3M



































































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