Page 55 - InsiderKrefeld Ausgabe 03_03
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                Baulücken ein. Schließlich ist die Altbausub- stanz Krefelds überaus erhaltenswert. Aus baukulturellen Gründen, aber erst recht und ausnahmslos unter ökologischen Gesichts- punkten. Der Bausektor verursacht über 50 Prozent der Treibhausgasemissionen, 60 Prozent unseres Abfalls stammen aus dem Bausektor. Daher gilt für uns konsequent „Bestand vor Neubau“. Dies ist gesetzlich vorgeschrieben und im Sinne des Klima- schutzes gar nicht anders möglich. Daher muss die öffentliche Hand mehr investieren, um problematische Quartiere zu entwickeln und aufzuwerten. Das wiederum schafft Perspektiven für Immobilieneigentümer und Investoren. Die herabgewirtschaftete Immo- bilie von heute kann zur identitätsstiftenden Altbausubstanz von morgen werden.
INSIDER: Welcher Mittel wollen Sie sich bedienen, um das angestrebte Ziel zu er- reichen?
Barbara Schweikart: Potenziale liegen in der Beseitigung von Baulücken oder Leerstand in der Innenstadt. Darüber hinaus leidet der stationäre Einzelhandel ja nicht erst seit Corona unter der immer stärker werdenden Konkurrenz des Onlinehandels. Wir müssen daher nicht mehr marktgerechte Gewerbe- immobilien umnutzen. Mancherorts bietet sich Wohnen an. Auch unkonventioneller Wohnraum, etwa für Studierende, könnte interessant sein. Klar ist: Nur mit einer lebenswerten Innenstadt werden wir Bürger für das Wohnen in Krefeld begeistern. Diese verlangen attraktive Angebote in der Stadt und ein klimabewusstes Umfeld.
INSIDER: Was sind Ihre Forderungen an die Akteure in Politik und Verwaltung?
Barbara Schweikart: Konsequente Schlie- ßung von Baulücken und Beendigung von Leerstand, Umnutzung von Gewerbeflächen und Büros zu Wohnraum in der Innenstadt durch aktive Ansprache der Eigentümer. An- kauf von Problemimmobilien und konsequen- tes Ausschöpfen von städtebaulichen Förder- mitteln zur Schaffung von Wohnraum. Durch diese Instrumente und durch Programme wie „Jung kauft Alt“ (Förderprogramme für junge Familien zum Erwerb einer Bestands- immobilie) lässt sich die Neubau-Flächenver- siegelung verringern. Die Gespräche, die wir mit „Baulückeneigentümern“ in der Krefelder Innenstadt geführt haben, bestätigen uns in unserer Meinung. Sie wünschen sich ein kla- res Bekenntnis und Aktivitäten zur Wieder- belebung der Krefelder Innenstadt durch die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung.
INSIDER: Welche Rolle spielt die kulturhis- torische Städtebauliche Analyse (KHSA) in all Ihren Überlegungen und Forderungen?
Florian Funke: Die KHSA, beauftragt von der Stadt Krefeld, ist als städtebauliches Ent- wicklungskonzept vom Rat der Stadt Krefeld
im März dieses Jahres beschlossen worden und hat das Ziel, die Aufenthaltsqualität in- nerhalb der vier Wälle durch mehr Wohnen, weniger Individualverkehr und der Wieder- herstellung der kulturhistorisch wertvollen Bausubstanz zu erhöhen. Sie darf jetzt nicht in einer Schublade verschwinden, wie es mit einer Vielzahl von Gutachten in der Vergan- genheit passiert ist. Sie ist die zielführende Klammer, um die Innenstadt in die richtige Richtung zu entwickeln. Die KHSA bildet den Rahmen und gibt Gestaltungsregeln vor, die ein stimmiges Stadtbild sicherstellen. Nun muss sie aber auch umgesetzt werden. Gute Stadtkultur braucht ein inspirierendes Stadtbild.
Barbara Schweikart: Eine lebenswerte Innenstadtarchitektur schafft Identität und erzeugt Profil. Das Fundament dafür ist da. Welche Stadt kann mit vier Wällen als einst blühende Flaniermeilen aufwarten? Diese sollten als Promenaden wiederbelebt wer- den. Das sollten wir im kommenden Jubilä- umsjahr im Blick behalten. Es gibt vielfältige Fördermittel für den Städtebau; das müssen die städtischen Akteure fortwährend prüfen.
Florian Funke: Krefeld wird im nächsten Jahr stolze 650 Jahre alt. Jetzt gilt es, daran anzuschließen, die Stadtgeschichte unter Be- rücksichtigung ihrer DNA weiterzuerzählen und mit neuen Narrativen zu versehen.
INSIDER: Danke für Ihre Ausführungen; lassen Sie uns im Gespräch bleiben!
Und jetzt sind Sie an der Reihe, liebe Leserin- nen und Leser! Welcher Auffassung sind Sie? Kann die Innenstadt die gleiche Wohnqualität bieten wie der Stadtrand? Wir sind gespannt auf Ihre Meinung und freuen uns auf diese unter: info@krefeld-business.de
  „Neue Investoren und bestehende Eigentümer brauchen die Perspektive, dass Stadtgebiete als Ganzes aufgewertet werden – Problemimmobilien von heute sind die identitäts- stiftende Altbausubstanz von morgen. “
Barbara Schweikart
 „Die Potenziale im Wohnungsbau wie bspw. die Baulücken, leerste- hende Wohnungen und Gewerbe- immobilien und der „Generations- wechsel“ von Einfamilienhäusern müssen durch die Stadtverwaltung erschlossen zu werden – im Sinne der Wiederbelebung der Innenstadt und im Sinne des Klimawandels. “ Barbara Schweikart
   Es gibt Zukunftsfaktoren, in die eine Stadt investieren muss, um attraktiv für Bürger und Besucher zu bleiben. Das Zusammenspiel dieser Faktoren bildet das identitätsstiftende Wertesystem einer Stadt – und letztendlich ihr Kapital.
Florian Funke
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